REINHARD MEYER  M A L E R E I                                                          

 

Eröffnungsrede zur Ausstellung von Reinhard Meyer in der Rathaus-Galerie Lübben, 27.08.2013, gehalten von Herrn Herbert Schirmer.

 

"KUNST IST IMMER EIN PROBLEM", stellt Reinhard Meyer in einer Tuschezeichnung aus dem Jahr 2000 fest. Angesichts dieser rätselhaften Wesen, die er in seinen Bildgeschichten aufbietet und deren schwer zu entschlüsselnde Abmachungen, bekommt man über die gemalte Welt hinaus ein Gespür für das Problematische nicht nur in der Kunst. Hier ist einer am Werk, der, anstatt in der DDR ein Kunststudium zu absolvieren, mangels gesellschaftlicher Reife 1977 für drei Jahre in den Knast geschoben wurde. Die Haft als Grunderlebnis hinterlässt bis heute Spuren im Werk. Wie in einem inneren Monolog, der zwischen Harmonie und innerer Dissonanz wechselt, werden Erlebnisse und Erfahrungen abgerufen, recycelt, neu zusammengesetzt und dank der privaten Perspektive in Kurzgeschichten der Bedrängnis und Verlorenheit verwandelt. Von daher erscheinen die erzählenden Strukturen, der überschaubare und zugleich rätselhafte Bildkosmos wie stenografierte Zustandsberichte von Natur und Gesellschaft schlechthin. Von Schönmalerei hält Reinhard Meyer eher wenig. Ob die Farben klangvoll orchestriert sind oder in schrillen Kontrasten oder in verwaschener Gestalt aufeinandertreffen, ist für ihn nur mit Blick auf die Steigerung des Ausdrucks von Bedeutung und - um Auge und Hirn der Betrachter zu provozieren und nachdenklich zu stimmen. Die schnelle, kurze Strichführung, die scheinbar spontan aufgebracht wird, verleiht dabei den Darstellungen nicht nur eine skizzenhafte Anmut. In einer gelegentlich ins Chaotische wechselnden  Ordnung werden sie im malerischen Illusionsraum zum Ausdruck innerer Rastlosigkeit. Kommentiert von frei schwebenden grafischen Zeichen und Symbolen, gemalten geometrischen Mustern, Ziffern, dazu Versatzstücke, die man aus der schönen bunten Werbewelt kennt, versetzt mit Elementen der Alltagskultur und der Konsumwelt bewirken, dass große Kompositionen in mehrere kleine, in sich slbständige Abschnitte getelt, auch unabhänglg voneinander existieren. Das setzt sich in der fragmentierten Figurendarstellung fort, die sich, wie überhaupt jegliche Gegenständlichkeit in einem Prozess andauernder Verwandlung befindet, der keine Gewissheiten mehr zulässt und bei dem sich einzelne Szenen zu losen,(alp) traumhaften Erzählungen verknüpfen. Nur punktuell klingen Zustandsberichte an, treten seltsame Vertreter eines ebenso vertraut erscheinenden verunsichernden Bildpersonals auf. Die meist auf ihre Umrisse reduzierten und der Bildsprache der Comics entlehnten Verkürzungen verstehen sich bei genauerem Hinsehen freilich als expressive Geste, als psychische Kurzform menschlichen und gesellschaftlichen Daseins. Nicht zuletzt thematisiert Reinhard Meyer Macht und Ohnmacht des Individuums. So, wie er plakative Figurationen einsetzt, skurrile Situationen ohne sofortige Sinnerschließung organisiert und seine Bildwelt mit surrealistischen Elementen verfremdet, ist er, gewollt oder nicht, nahe bei den Vertretern der so genannten  neuen Leipziger Schule und den hier erprobten, erzählerischen Szenarien voll eigentümlicher Verweise und unwirklicher Atmosphäre. Ob es sich hier um eine Enträtselung oder Verrätselung der Welt, um ein Versteckspiel oder einen Akt der Offenbarung handelt, bleibt dem einmal aktivierten Betrachter und seinem Erfahrungshorizont weitgehend überlassen.

 

R.Meyer, Korrektur: 1968, 1974, 1980 zu insgesamt 3 Jahren und 3 Monaten politischer Haft verurteilt und verbüßt. Rehabilitiert durch die Bundesrepublik Deutschland.